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  • brandt37

Ist die Installation von Erneuerbare-Energien-Kapazität vergebens?

Aktualisiert: 4. Apr. 2023



Ein Argument, welches gelegentlich sowohl von begeisterten Anhängern des Europäischen Emissionshandels als auch von Gegnern des Ausbaus Erneuerbarer Energien (EE) vorgebracht wird, gibt Anlass dazu, für die Climate Concept Foundation in dieser Frage Stellung zu nehmen.


Die im Folgenden zu diskutierende Position ist:


„Im Geltungsbereich des Europäischen Emissionshandels bewirkt die zusätzliche Installation von EE-Kapazität keinerlei zusätzliche Einsparung an CO2-Emissionen. Durch die Substitution fossiler Energieerzeugung durch EE werden zwar Emissionen reduziert, jedoch werden im selben Umfang EU-Emissionsberechtigungen frei, die innerhalb des Systems zur Rechtfertigung von weiteren Emissionen verwendet werden. Es bleibt also eine Plus-Minus-Null-Rechnung.“


Zunächst ist festzustellen, dass diese These auf ersten Blick zutreffend ist. Die im Europäischen Emissionshandel ausgegebenen Zertifikate sind in ihrem verfügbaren Umfang klar festgelegt. Ihre Menge definiert den Emissionsreduktionspfad, den die Europäische Gesetzgebung für die dem Emissionshandel unterworfenen Industriesektoren vorgesehen hat. Und die zugelassenen Emissionen werden zu irgendeinem Zeitpunkt durch irgendeinen Anlagenbetreiber auch genutzt; kein Zertifikat wird ungenutzt verfallen (wenn man von den durch die Climate Concept Foundation gehaltenen absieht).


Folgt daraus, dass es sinnlos ist, sich in Hamburg eine Photovoltaik-Anlage auf sein Dach zu montieren? Ist eine – nicht nur durch finanzielles Interesse, sondern auch von ökologischer Gesinnung getragene – Investition in einen Windkraft-Fond, der in der EU Windkraftanlagen baut, damit ohne Effekt?

Helfen solche Aktionen nicht vielmehr den Betreibern der fossilen Energieerzeugungsinfrastruktur? Und verzögern sie nicht dadurch den erforderlichen Wandel, dass sie die Nachfrage nach Emissionszertifikaten verringern, damit also den Preis drücken, wodurch wiederum der Anreiz zur Minderung von Emissionen abgeschwächt wird?


Die Antwort ist nicht einfach. Denn die in den Europäischen Emissionshandel eingebaute sog. Marktstabilitätsreserve führt bei deutlich überschüssigen Zertifikatsmengen dazu, dass ein Teil der neu auszugebenen Zertifikate dem Markt dauerhaft vorenthalten wird. Sind also zu viele Zertifikate im Umlauf, dann werden die Neuzuteilungen verringert.

Da ein Ausbau der EE zu einer Erhöhung des Überschusses an Zertifikaten führen kann, würde in einem solchen Fall auch eine zusätzliche – durch den EE-Ausbau bedingte – Verringerung der Neuzuteilungen eintreten. Allerdings kann diese Wirkung nur einen Teil des durch den EE-Ausbau eintretenden Überschusses neutralisieren: nur 24% des Überschusses werden gelöscht, womit 76% ohne Korrektur im Markt verbleiben und damit zu Mehremissionen führen werden.


Dennoch, so unsere Haltung zu dieser Frage, ist der Ausbau der EE nicht einfach überflüssig. Vielmehr sind die zu beobachtenden vermehrten Investitionen in EE-Kapazitäten eine Folge der EU-Klimapolitik, insbesondere des Emissionshandels.

Der Emissionshandel verursacht eine Verteuerung der Energieerzeugung auf Grundlage fossiler Energieträger und erhöht dadurch die Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität der EE. Gäbe es ihn nicht, so wären die Investitionen in EE-Erzeugungskapazitäten über die Jahre geringer ausgefallen. Auch gegenwärtig ist ein Boom im Ausbau der Photovoltaik zu verzeichnen, der u.a. auf die im Vergleich zu den Vorjahren hohen CO2-Preise im Europäischen Emissionshandel zurückzuführen sein dürfte.

Diese Erwägung widerlegt zwar das hier zur Diskussion gestellte Argument nicht, zeigt aber, dass dessen Perspektive verkürzt ist: Wenn der Emissionshandel den erwünschten Effekt erzielt, folgt daraus nicht, dass der Ausbau der EE-Kapazitäten sinnlos gewesen ist. Vielleicht erzeugt der EE-Ausbau keine zusätzlichen – über die durch die Cap-Festlegung hinausgehenden – Emissionsreduktionen, aber absolut betrachtet führt er zu einem Rückgang der CO2-Belastung der Atmosphäre und verringert die CO2-Intensität der Energieerzeugung in Europa.


Über diese Frage hinaus bietet der EE-Ausbau (hoffentlich verstärkt um eine deutliche Erhöhung der Ausbaurate in den nächsten Jahren) weitere Vorteile:

Er reduziert die Freisetzung sonstiger Schadstoffe wie Quecksilber, Feinstaub sowie Stick- und Schwefeloxiden, die mit einem Rückgang der Nutzung fossiler Energieträger verbunden sind (bzw. das Sondermüllaufkommen bei der Verwendung von Schadstoffreduktionstechnologie).

Außerdem wird die Abhängigkeit von Energieimporten verringert.


Last, but not least sorgt eine tatsächliche Umsetzung der durch den Emissionshandel bezweckten Emissionsminderungen dafür, dass die CO2-Preise nicht ausufern. Hieraus resultiert zunächst eine höhere politische Akzeptanz der Europäischen Klimapolitik, mittelfristig lässt sich erhoffen, dass das klimapolitische Ambitionsniveau erhöht werden kann, wenn und solange der CO2-Preis für Wirtschaft und Gesellschaft „gut verdaubar“ bleibt.


Weitere Ausführungen zu den zuletzt genannten Punkten böten Stoff für weitere Posts in diesem Blog. Bleiben Sie dabei, liebe Leserin, lieber Leser!



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